Jurastudium unter Druck

Jurastudium unter Druck

16.10.2025 in Jura & Lehre

Zwei Drittel würden es nicht weiterempfehlen

Eine neue Absolvent:innenbefragung des Bundesverbands rechtswissenschaftlicher Fachschaften (BRF) mit 1.835 Teilnehmenden (Erhebungszeitraum: 29.02.–30.09.2024) zeigt ein deutliches Stimmungsbild: 66,27 % würden das Jurastudium in seiner heutigen Form nicht (41,31 %) oder nur eingeschränkt (24,96 %) weiterempfehlen. Nur 5,12 % sprechen eine Empfehlung „aus voller Überzeugung“ aus.

Hauptkritik: Prüfungsdruck & Bewertungspraxis

Die Belastung durch das „Alles-oder-nichts“-Prinzip rund um die Staatsexamina ist immens: Über 82 % bewerten den Prüfungsdruck auf den oberen Skalenstufen (8,5–10). Viele erhoffen sich vor allem mehr Transparenz und Vergleichbarkeit bei Prüfungen.

Besonders scharf fällt die Kritik an der Klausurbewertung aus: 81,63 % halten sie nicht für objektiv – mit Verweisen auf Subjektivität, fehlende verdeckte Zweitkorrektur und teils intransparente Maßstäbe. Entsprechend werden bundesweit einheitlichere Standards, klare Erwartungshorizonte und eine echte Zweitkorrektur gefordert.

Digitalisierung: Hybride und Online-Formate erwünscht

Die Pandemie-Erfahrungen haben Spuren hinterlassen: 82,02 % wünschen sich hybride Lehrangebote (Präsenz plus Online-Teilnahme). 56,08 % sprechen sich sogar für rein digitale Formate aus – etwa aufgezeichnete Vorlesungen oder Online-Klausurenkurse.

Integrierter Bachelor als „Sicherheitsnetz“

Ein integrierter LL.B. (Bachelor-Verleihung nach definierten Prüfungsleistungen im Studium) könnte den Druck deutlich mindern: 85 % erwarten Entlastung, zugleich würden 91,01 % trotzdem auf das Staatsexamen hinarbeiten. Der Bachelor wird also eher als Absicherung verstanden – nicht als Ersatz für die erste Prüfung.

Freischuss: Sinnvoll – aber nicht für alle fair

Die Freischuss-/Freiversuchsregelung wird grundsätzlich positiv gesehen, gleichzeitig weisen viele auf soziale Schieflagen hin: Wer es sich leisten kann, profitiert eher von einem frühen Versuch und zusätzlichen Verbesserungsoptionen. Gewünscht werden bundesweit einheitliche Regeln und eine sozial fairere Ausgestaltung.

Blick ins Referendariat: Psychische Belastung bleibt hoch

Auch im juristischen Vorbereitungsdienst zeigt sich ein alarmierendes Bild: Laut der RefKo-Umfrage berichten 91,8 % von psychischem Druck; 40,1 % nennen Schlafstörungen, 16,7 % Angstzustände und 27,4 % denken über Abbruch nach. LTO hat die Ergebnisse kompakt aufbereitet.

Reformtempo in den Ländern

Es bewegt sich etwas: Hessen hat den integrierten Jura-Bachelor gesetzlich verankert – seit 1. Oktober 2025 kann er beantragt werden. NRW hat den integrierten Bachelor bereits zum 7. Mai 2025 in Kraft gesetzt. In Baden-Württemberg drängen mehrere Fakultäten auf eine landesweite Lösung, die Debatte läuft.

Fazit

Transparente Bewertung, ein integrierter Bachelor als Sicherheitsnetz und moderne, flexible Lehrformate wären die größten Hebel, um das Jurastudium menschlicher und leistungsfähiger zu machen – ohne das Ziel „Volljurist:in“ aus den Augen zu verlieren. Die Datenlage ist klar; jetzt sind Gesetzgeber, Fakultäten und Prüfungsämter am Zug.


Quellen

  • BRF – 6. Absolvent:innenbefragung 2025 (Bericht, PDF): Eckdaten, Weiterempfehlung (66,27 %), Prüfungsdruck (>82 %), Objektivität (81,63 %), Digitalwunsch (82,02 % hybrid / 56,08 % digital), integrierter Bachelor (85 %/91,01 %). (bundesfachschaft.de)
  • beck-aktuell (15.10.2025): „Zwei Drittel würden das Jurastudium nicht weiterempfehlen“ – journalistische Einordnung. (RSW)
  • LTO (14.10.2025): „Nur jeder Fünfte hält Klausurbewertung für objektiv“ – Fokus auf Bewertung/Korrektur. (LTO)
  • RefKo/BRF (17.04.2025, PDF): „Psychischer Druck im juristischen Vorbereitungsdienst“ – 91,8 % belastet, Symptome & Handlungsappelle. (bundesfachschaft.de)
  • LTO (15.04.2025): Berichterstattung zur RefKo-Umfrage im Referendariat. (LTO)
  • Hessen – Justizministerium (01.10.2025): „Jura-Bachelor kann ab dem 1. Oktober beantragt werden.“ (justiz.hessen.de)
  • NRW – Einführung integrierter Bachelor (in Kraft seit 07.05.2025): Hochschulinfos/FAQ. (FernUniversität Hagen)
  • Baden-Württemberg – Staatsanzeiger (27.08.2025): „Drei juristische Fakultäten machen Druck“ – Stand der Debatte. (Staatsanzeiger BW)

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