KI im Jurastudium: Wenn ChatGPT zum Repetitor wird

KI im Jurastudium: Wenn ChatGPT zum Repetitor wird

31.05.2025 in Jura & Lehre

Zur Ausgabe 04/2024 der Zeitschrift für Didaktik der Rechtswissenschaft (ZDRW)

Heft 04/204 der ZDRW ist auf mehr als 100 Seiten eine wahre Fundgrube für alle, die sich fragen: „Wie kann KI das Lernen im juristischen Studium unterstützen?“ Spoiler: Es geht um weit mehr als nur darum, sich von ChatGPT die Hausarbeit schreiben zu lassen (was Jurastudierende natürlich niemals tun würden, nicht wahr?).

KI als Herausforderung und Chance: Die große Bestandsaufnahme

Janique Brüning liefert mit ihrem Beitrag KI als Herausforderung für das juristische Studium (S. 291-319) die theoretische Unterfütterung zu den praktischen Beispielen der nachfolgenden Beiträgen der Zeitschrift. Stellen Sie sich vor, Platon hätte ChatGPT gekannt – er hätte vermutlich die gleichen Bedenken geäußert wie damals gegen die Schrift! Brüning zeigt uns, dass die Angst vor neuen Technologien so alt ist wie die Menschheit selbst.

Die Autorin warnt vor dem „ChatGPT-Moment“ der Rechtswissenschaft: Plötzlich können Maschinen Texte verfassen, die von menschlichen kaum zu unterscheiden sind. Das Problem? Wenn keiner mehr weiß, wer oder was einen Text geschrieben hat, wackelt das Fundament der Rechtswissenschaft. Denn Jura ist nun mal eine Textwissenschaft – und wenn die Texte nicht mehr vertrauenswürdig sind, haben wir ein Problem.

Besonders pikant wird es bei Prüfungen. Brüning plädiert für einen Mittelweg: KI-Tools nicht verbieten (bringt eh nichts), sondern ihre Nutzung transparent machen. Studierende sollen dokumentieren, wie sie ChatGPT & Co. eingesetzt haben. So lernen sie nebenbei auch noch, die Outputs kritisch zu hinterfragen – eine Kernkompetenz im KI-Zeitalter!

Der Clou ihrer Argumentation: Das Schreiben ist nicht nur Textproduktion, sondern ein „Denk- und Lernwerkzeug“. Wer nur noch KI-generierte Texte abliefert, verlernt das eigenständige Denken. Ihre Lösung? Das Inverted-Classroom-Modell, bei dem Studierende zu Hause mit KI arbeiten und die Ergebnisse dann gemeinsam in der Vorlesung kritisch reflektieren.

Brünings Fazit ist so treffend wie ernüchternd: Die KI ist gekommen, um zu bleiben. Wir können sie nicht „domestizieren“ oder ignorieren. Aber wir können lernen, sie sinnvoll einzusetzen – als Werkzeug, nicht als Ersatz für menschliches Denken. Denn am Ende des Tages muss immer noch ein Mensch entscheiden, ob die KI-generierte Antwort nun brillant oder Blödsinn ist.

Der digitale Tutor, der nie müde wird

Fahren wir fort mit dem Beitrag von Hackl und Kollegen über KI-Feedback in der Rechtslehre (S. 320-335). Die Autoren haben untersucht, wie Studierende KI-generiertes Feedback im Vergleich zu menschlichem Tutor-Feedback wahrnehmen. Das Ergebnis? Nun ja, die menschlichen Tutoren können aufatmen – sie werden noch gebraucht!

Die Studie zeigt, dass Studierende das Tutor-Feedback als verständlicher und hilfreicher empfinden. Aber bevor die KI jetzt beleidigt in der digitalen Ecke schmollt: Sie punktet mit ihrer Unmittelbarkeit. Während der menschliche Tutor vielleicht gerade sein drittes Käffchen schlürft, spuckt die KI binnen Sekunden Feedback aus. Und das Beste: Die KI regt offenbar zu mehr Diskussionen unter Studierenden an. Vielleicht weil man sich gemeinsam darüber austauschen muss, was die Maschine da eigentlich von sich gegeben hat?

LegalWriter: Der Gutachtenstil-Flüsterer

Söllner und sein Team präsentieren in ihrem Beitrag Intelligente Unterstützung beim Erlernen des Gutachtenstils im rechtswissenschaftlichen Studium (S. 336-348) mit LegalWriter ein KI-System, das Studierenden beim Erlernen des berüchtigten Gutachtenstils hilft. Endlich jemand (oder etwas), der geduldig erklärt, warum es „Fraglich ist, ob…“ heißen muss und nicht „Vielleicht könnte man ja mal überlegen…“!

Das System – basierend auf der Technologie des NLP – analysiert studentische Texte und markiert, welche Sätze dem Gutachtenstil entsprechen. In einer Studie zeigte sich: Studierende, die mit LegalWriter trainierten, schnitten in Klausuren besser ab. Die KI wird hier zum persönlichen Schreibtrainer, der nie genervt ist, wenn man zum hundertsten Mal Obersatz und Untersatz verwechselt.

Formulieren üben statt Stottern

Alexander Kratz berichtet über Formulierungsprägnanz- und Gutachtenstil-Training mit Audience Response Systemen (S. 349-357). Stellen Sie sich vor: Statt die Hand zu heben und eine möglicherweise peinliche Antwort zu geben, scannen Studierende einen QR-Code und tippen ihre Formulierungsversuche anonym ins Smartphone.

Der Clou: Alle Antworten erscheinen auf der Leinwand, und plötzlich sieht jeder, dass er nicht der Einzige ist, der beim Gutachtenstil ins Schwitzen kommt. Kratz schwärmt von nahezu 100% Beteiligung – vermutlich, weil niemand mehr Angst haben muss, sich vor 300 Kommilitonen zu blamieren.

Frag.Jetzt – Der KI-Assistent, der mitdenkt

Moritz von Rochow stellt Frag.Jetzt vor, ein Tool, das ChatGPT als Künstliche Intelligenz als Vorlesungsassistent (S. 358-364) einsetzt. Studierende können während der Vorlesung anonym Fragen stellen, die dann von der KI beantwortet werden. Genial für alle, die sich nicht trauen zu fragen, was der Europarat ist (es ist NICHT die Zentralbank der EU, liebe KI!).

Allerdings hat die Sache einen Haken: Die KI halluziniert manchmal kreative Antworten. So erklärte sie die „Keck-Formel“ als Rechtsrahmen für Exportkontrollen von Dual-Use-Gütern. Falsch! Aber hey, wenigstens lernen die Studierenden so, KI-Antworten kritisch zu hinterfragen.

Menschenrechte meets Machine Learning

Der letzte Beitrag Menschenrechte und künstliche Intelligenz in der Lehre (S. 365-376) von Wiater, Sundt und Schüpferling beschreibt die FAU Human Rights Talks, wo Studierende sich in mehreren ganztägigen Workshops intensiv mit KI und Menschenrechten auseinandersetzen. Das Besondere: Am Ende diskutieren sie mit echten Richtern internationaler Menschenrechtsgerichtshöfe über ihre Erkenntnisse.

Das Format zeigt: KI in der Lehre muss nicht bedeuten, dass Studierende nur noch mit Maschinen interagieren. Im Gegenteil – hier wird KI zum Anlass für intensiven menschlichen Austausch auf höchstem Niveau.

Fazit: Die Zukunft ist hybrid

Was lernen wir aus all diesen Beiträgen? KI im Jurastudium ist keine Bedrohung, sondern eine Chance – wenn man sie richtig einsetzt. Sie kann:

  • Sofortiges Feedback geben (auch wenn es manchmal daneben liegt)
  • Beim Einüben des Gutachtenstils helfen (ohne genervt zu sein)
  • Hemmschwellen abbauen (anonyme Fragen ftw!)
  • Diskussionen anregen (oft gerade wegen ihrer Fehler)

Aber – und das ist die gute Nachricht für alle Lehrenden – sie ersetzt nicht den menschlichen Faktor. Studierende wollen weiterhin von Menschen lernen, mit ihnen diskutieren und von ihnen verstanden werden. Die KI ist der Sidekick, nicht der Superheld.

Die Zukunft der juristischen Lehre ist hybrid: Mensch und Maschine im Team. Wobei der Mensch weiterhin dafür zuständig ist, zu erklären, dass die Keck-Formel nicht erläutert, wie man auf angenehme Weise frech und vorlaut sein kann, sondern mit der Warenverkehrsfreiheit gem. Art. 34 AEUV zu tun hat. Aber das wussten Sie ja längst – oder haben Sie etwa die KI gefragt?

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