Interaktive Lernvideos: Spielerei oder Mehrwert?

Interaktive Lernvideos: Spielerei oder Mehrwert?

16.05.2020 in Jura & Lehre

Schulfernsehen à la „Telekolleg“ ist passé. Tutorials auf YouTube aber sind angesagter denn je. Warum Videos also nicht auch in der Lehre nutzen?

Warum eigentlich Videos?

In unserer Gesellschaft spielen (audio-)visuelle Medien eine zunehmend bedeutende Rolle, neben den reinen Konsum sind zunehmend Möglichkeiten der aktiven Gestaltung getreten. Das Video bildet für die junge Generation einen festen Bestandteil des Alltags, ob als wichtigste mediale Erfahrung in der Freizeit (Feierabend und Rathgeb, 2009), auf die man über das Smartphone auch von unterwegs aus zugreifen kann (James, 2016), oder aber als Lerninstrument (Bsp.: Giannakos, Jaccheri und Krogstie, 2014). Die Erkenntnis der Neurowissenschaft, dass das menschliche Gehirn über die Hälfte seiner Ressourcen zu jedem Zeitpunkt für das Sehen einsetzt (Medina, 2010), vervollständigt letztlich ein Bild, vor dem sich niemand verschließen kann, der sich mit Bildung beschäftigt.

Videos können den Lernprozess durch Folgendes fördern (Chambel, Zahn, und Finke, 2006):

  • Die Rekonstruktion realer Erlebnisse aufgrund des hohen Grads an Authentizität und Realismus;
  • Die Visualisierung dynamischer Prozesse, die in der Realität nicht beobachtet werden können, da sie schwierig nachzubilden sind oder sich mit Worten nur schwer beschreiben lassen;
  • Die Kombination verschiedener Symbolsysteme wie Bild, Text, Erzählung in einem multimedialen Zusammenhang;
  • Die freie Wahl von Lernort, -zeit und -tempo.

In Analogie dazu ermöglichen Videos, sofern sie korrekt eingesetzt werden:

  • Die Lernenden maximal einzubeziehen und dadurch ihre Lernmotivation zu erhöhen sowie ihre Aufmerksamkeit zu fokussieren;
  • Eine Diskussion anzuregen;
  • Reflexionen anzuregen z. B. durch eine Analyse der Berufspraxis;
  • Einen Projektansatz umzusetzen, bei dem die Lernenden in den Prozess der Planung und Realisierung des Videos miteinbezogen werden.

Was ist ein «interaktives Video»?

Ein interaktives Video kann definiert werden als ein nicht-lineares Video, das sowohl über klassische Kontroll- und -Steuerfunktionen eines Videos verfügt (Play-, Stopp-, Pausen- sowie Vor- und Zurück-Taste) als auch komplexere Funktionen aufweist (Index oder Inhaltsverzeichnis) und zusätzlich mit Hypertext-Links angereichert ist, die über spezifische Markierungen Zugriff auf zusätzliches Material (Dokumente, Bilder, Webseiten, Audiodateien) erlauben.

Darüber hinaus kann ein interaktives Video mit diversen Optionen ausgestattet sein, die den Austausch von Inhalten möglich machen. Hierzu gehört auch die Möglichkeit, direkt in der Videoschnittstelle Anmerkungen vorzunehmen. Dies kann einzeln oder in der Gruppe erfolgen. Bei Einstellung der Gruppenfunktion kann jeder Anwender/jede Anwenderin interagieren und durch das Einfügen von gemeinsamen Kommentaren Ideen und Sichtweisen mit den anderen Anwendenden teilen. Letztlich ermöglicht ein interaktives Video den Anwendenden, entweder über die bereits genannte Video-Anmerkungsfunktion oder aber automatisch vom System, z. B. über die Quiz-Funktion Feedback zu erhalten.

Interaktive Videos kann man z.B. mit dem Tool H5P erstellen.

Welchen Mehrwert bietet ein interaktives Video?

Die Mehrwerte gegenüber dem bloßen Anschauen eines Videos liegen auf der Hand:

  • Die Aufmerksamkeit wird durch unterbrechende Fragen erhöht. Das Video hinterläßt deutlich mehr Eindruck.
  • Die Aufmerksamkeit kann gelenkt werden (z.B. auf Details, Widersprüche, Anomalien).
  • Selbstständiges Lernen, Selbsteinschätzung und Selbstwirksamkeit werden gefördert.

Integration in didaktische Szenarien

Um ein interaktives Video wirksam in einen Lehr-/Lernprozess einzubinden, ist dessen Integration in ein didaktisches Szenario bzw. Modell erforderlich. Beispielhaft sei hier der Flipped Classroom genannt: Hierbei handelt es sich um ein methodisch-didaktisches Modell, das den Ablauf und die Rollenverteilung in der klassischen Präsenzlehre im wörtlichen Sinne umkehrt. Wenn wir der Einfachheit halber die beiden Prozesse «Lehrveranstaltung» und «Selbststudium » als die beiden Schlüsselmomente des Lernprozesses betrachten, zeichnet sich das Konzept Flipped Classroom dadurch aus, dass sich die Lernenden die theoretischen Grundlagen eines Themas zu Hause im Selbststudium vorbereitend mit Hilfe von multimedialen Materialien (Video, interaktives Video, Audio etc.) aneignen. In der Lehrveranstaltung wird der Schwerpunkt dann vor allem auf die Bereiche Problemlösung, Verständnis, Training, Diskussion sowie auf die Auseinandersetzung und den Austausch mit den Lehrenden und den Studierenden gelegt. Eine Möglichkeit, die „Arbeitszeit“ in der Hochschule produktiver und effizienter zu gestalten und gleichzeitig alle am Lernprozess beteiligten Personen im gleichen Maße zu erreichen.

Buchtipps

Hier etwas Literatur zum Thema:


Titelbild von Gerd Altmann auf Pixabay
Notebook-Bild von mohamed Hassan auf Pixabay

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