Elektronische Klausuren

Elektronische Klausuren

30.03.2019 in Jura & Lehre

Impressionen aus Hockenheim

Tja, über die E-Akte wird in Deutschlands Behörden schon lange gesprochen und ge(alp)träumt… Aber auch im Bildungsbereich hält das „E“ immer weiter Einzug. Nein, damit meine ich diesmal nicht E-Learning. Das gibt es ja – jedenfalls mancherorts – schon etwas länger.

Heute geht es um die E-Klausur als elektronisches Pendant zu handschriftlichen Leistungsnachweisen an Hochschulen. An meiner FH hat es schon den ein oder anderen kleineren Testversuch dazu gegeben. Anfang dieser Woche jedoch konnte ich dann „ganz großes Kino“ erleben. Rund 200 Rechtspflegeranwärter*innen haben in der Stadthalle Hockenheim eine fünfstündige E-Klausur im Bereich Handelsregisterrecht geschrieben. Von der Dimension, der IT-Logistik und der routinierten Gelassenheit und Reibungslosigkeit, mit der das Ganze ablief, war ich beeindruckt.

Frank Haarer, Rektor der Hochschule für Rechtspflege in Schwetzingen, erklärte mir, dass es für die meisten Studierenden nicht die erste E-Klausur dieser Art war und bereits alle vorangegangenen Testläufe ohne Probleme verlaufen seien. Hier sei auch die Professionalität von IQUL, dem Dienstleister, der mit eigenem Server, WLAN und 220 Notebooks die technische Infrastruktur bereitstellt und auch während der gesamten Klausurzeit den Ablauf begleitet, hervorzuheben.

Natürlich hat mich auch die Technik interessiert. Und die hat mir Dr. Jonas vor dem Esche, Head of Business Development & Marketing bei IQUL, gerne erläutert. Zum Einsatz kommt ein Server der Workstation-Klasse mit RAID-Festplattensystemen. Sehr ausfallsicher. Bei größeren Szenarien (bis 500 Probanden) und ganz besonderen Anforderungen an die Ausfallsicherheit können auch redundante Serversysteme eingesetzt werden. Alle Notebooks sind modellgleich, verfügen über einen 15-Zoll-Monitor sowie eine als angenehm leise zu bezeichnende Tastatur und – von zentraler Bedeutung – einen Akku mit 10 Stunden Laufzeit. Sollte dennoch mal eines der Notebooks ausfallen, wird umgehend ein Ersatzgerät gestellt. Der Textverlust, der für diesen unwahrscheinlichen Fall entstehen könnte, würde sich sehr in Grenzen halten, denn die Klausurensoftware speichert das Geschriebene über ein eigens temporär installiertes, lokales WLAN alle fünf Sekunden auf dem Server.

 

Die Software, die auf den Namen Q-Exam hört, lässt grundsätzlich nur die Beschäftigung mit der Klausur zu. Andere Anwendungen sind in der Regel gesperrt – es sei denn, sie sind ausdrücklich als Hilfsmittel zur Lösung zugelassen. Q-Exam wurde und wird von IQUL seit Jahren für jedes Klausurenszenario individuell angepasst, so vor dem Esche. So habe man eigens für die laufende Klausur in Hockenheim ein digitales Handelsregisterblatt entwickelt, in das die Prüflinge Eintragungen wie im „richtigen“ Handeslregister vornehmen können. Q-Exam komme aber auch bei Multiple-Choice-Assessments bei Prüfungen in den Naturwissenschaften zum Einsatz, ebenso wie bei Mediziner-Prüfungen, bei denen immer häufiger auch Audio, Video und Animationen in die Aufgabenstellungen eingebettet werden. Dann gibt es zum Notebook noch einen Kopfhörer für jeden Prüfling.

Dieser ganze Aufwand kostet natürlich ordentlich, womit wir bei den Nachteilen von E-Klausuren wären. Aber sowohl die Hochschule für Rechtspflege in Schwetzingen, als auch zahlreiche andere Hochschulen und Universitäten setzen auf die zahlreichen Vorteile:

  • Bessere Lesbarkeit der Antworten bei Essay- und Freitextfragen
  • Automatische Korrektur (zumindest bei Single und Multiple-Choice-Tests): Zeitersparnis, sehr schnelle Veröffentlichung der Klausurergebnisse, hohe Auswertungsobjektivität
  • Einfache Nachkorrektur und -bewertung bei offenen Fragetypen (z.B. Lückentextfragen)
  • Auswahl verschiedener Fragetypen und Einbindung von Medien (z.B. Bilder) in hoher Qualität
  • Organisation von Fragen in Fragenpools, Evaluation der Fragenqualität (z.B. Itemschwierigkeit), einfache Wiederverwendbarkeit von Fragen
  • Anwendungsorientiertes Prüfen, z.B. durch Softwareprüfungen oder Internet- und Datenbankrecherchen
  • Erleichterte Organisation z.B. durch Zuweisung verschiedener Klausurversionen/Teilklausuren zu verschiedenen parallelen Prüflingsgruppen
  • Reduzierung von Papierlogistik und -kosten

Nach der Veranstaltung in Hockenheim hatte ich Gelegenheit, einige Probanden nach ihren frischen E-Klausur-Erfahrungen zu befragen. „Mit der Tastatur bin ich schneller.“ meinte eine Studentin. Dazu ergänzend eine andere: „Ja, genau. Und ich bekomme auch keine Sehnenscheidenentzündung. Ohne Scherz! Die hatte ich letztens nach BGB und 40 Seiten Rechtsgutachten von Hand schreiben.“ Mir war aufgefallen, dass fast alle Studierende bis zum Einblenden des Sperrbildschirms – dem ultimativen Ende jeder E-Klausur – noch letzte Hand an ihre Texte angelegt hatten. Weniger viel schreibend, eher strukturierend. Darauf angesprochen, bestätigte mir ein Student diesen Eindruck: „Es ist doch so: bei einer handschriftlichen Klausur steht nun mal alles so da, wie es geschrieben wurde. Aber heute konnte ich mal in Ruhe Korrektur lesen und noch mal was umstellen, ohne dass es am Ende völlig wirr aussieht.“ Gerne hätte ich auch noch kritische O-Töne eingefangen – es gab keine. Kritischer dagegen die Stimmen einiger Kommentatoren im oben verlinkten Twitter-Beitrag des Kollegen Tianyu Yuan.

An meiner eigenen Hochschule werden wir das Thema E-Klausur – mit wohlwollender Unterstützung unseres Ministeriums – jedenfalls weiter verfolgen und gerne auch voranbringen.

Wie sind Ihre Erfahrungen mit der E-Klausur, als Prüfling, als Korrektor? Haben Sie eigene Notebook-Pools für E-Klausuren oder sogar eine eigene PC-Hall wie die Uni Duisburg-Essen?

Schreiben Sie mir! Ich bin gespannt.

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